Julimitte. Sonntag Vormittag. Die Sonne verbrennt alles Grün. Unbarmherzig zerstört sie, was sie noch Wochen vorher zum Wachsen brachte. Was bleibt, ist welkes lebloses Gras, Trockenblumen. Sich nach Abkühlung sehnende Menschen, Tiere, Pflanzenwarten auf den Leben spendenden Regen.
Ich sitze auf meinem Balkon und blicke in den Himmel. Heiß wird es heute angeblich wieder. 36°C hat der Wetterbericht vorausgesagt. Aber gegen Abend soll es voraussichtlich heftig gewittern. Hoffentlich liegt der Wetterfrosch richtig mit seiner Prognose. Ich suche den Horizont nach ersten Anzeichen für Abkühlung ab. Da, Richtung Westen braut sich etwas zusammen, oder ist das nur mein Traum von kühlem Wasser? Ziehen da nicht schon kleine Schäfchen über den Himmel? Ja klar, jetzt sehe ich sie deutlicher. Winzig sind sie, stecken noch in den Kinderschuhen. Zwerge ohne Zipfelmützen. Überleben Sie, oder fallen sie wieder in sich zusammen, noch bevor sie ausgewachsen sind? Ich möchte mir über diese Miniwölkchen noch keine ernsthaften Gedanken machen. Mir ist in der Sonne einfach nur zu warm und ich verziehe mich in mein kühleres abgedunkeltes Wohnzimmer. Die letzten Wochen war dieser Raum meine Zuflucht vor der gnadenlosen Sonne. Und genau dort mache ich es mir jetzt auf meiner Couch bequem und schlafe binnen weniger Minuten tief und fest.
Hitzeträume brechen in mein Bewusstsein ein. Wildes Durcheinander aus Menschen, Verfolgungsjagten, meiner Olga, dem verstorbenen Quinn und einer Sintflut. Als ich mich selbst jammern höre, weil ich, meine Maus in den Händen, zu ertrinken drohe, wache ich auf und bin eine Zeit lang völlig benommen. Kann man im Traum sterben? Und wie lange habe ich geschlafen? Mir kommt es wie einige Minuten vor, aber beantworten kann ich die Frage nicht.
Stunden später, ich sitze wieder auf meinem Balkon, die Füße auf das Balkongeländer aufgelegt, kühler ist es noch nicht geworden, wir haben tatsächlich 36°C, stelle ich fest, dass sich meine kleinen Schäfchen zu einem einzigen großen dunklen Monster zusammengebraut haben, das mich anblitzt und anknurrt. Neugierig mustere ich seine stellenweise fast schwarzen Eingeweide, die lautstark rumoren.
„Ich grüße dich, Regenmonster. Was bist du für ein gewaltiges Ungetüm. Dunkel und bedrohlich scheinst du, an deinen Rändern weiß ausgefranst. Größer musst du nun nicht mehr werden. Das Wasser in deinem dicken Bauch reicht aus, um uns alle abzukühlen. Je schneller du dich entlädst, je früher können wir wieder durchatmen und uns frischer fühlen. Kühlere Luft einsaugen. Schau dir die schwitzende Elster auf dem Dachfürst meines Nachbarhauses an, genau die, die den Schnabel aufsperrt und hechelt. Oder werfe einen kurzen Blick auf die kleinen Meisen, die im dichten Gebüsch vor meinem Balkon vom lebenspendenden Wasser träumen. Findest du nicht, dass es nun an der Zeit ist, loszubrechen?“
Ein Blitzen, ein Donnern. Es hat mich verstanden. Ein Grummeln im Dickbauch, es ist zu hören. Ich weiß, es wird bald spucken. Und um zu bekräftigen, dass es meine Sprache spricht, bläst mich das Regenmonster an. Zuerst mit einem sanften Wind, der sich in meinen Haaren verfängt, mit ihnen spielt, doch schnell zu einem ausgewachsenen Sturm anschwillt, der nach allem greift, was ihm in die Quere kommt. Blitz. Krach. Blitz. Krach. Nichts. Noch einmal ein grelles Licht, ein Schlag. Und dann…Regen. Hier und da ist ein leises Tröpfeln zu hören, die ich leider noch nicht fühle, weil sie zu selten sind.
Doch plötzlich…einzelne große schwere Tropfen platschen auf mich herab. Schnell werden sie zu einer Wasserflut, die die Umrisse meines Regenmonsters verwischen. Was sich noch vor kurzem klar am Himmel abgrenzte, verschwimmt nun, vermengt sich zu grauer Einheitsmasse.
Ich schließe die Augen und hebe ihm mein Gesicht entgegen. Dem Monster. Es küsst mich. Viele Male berührt es meine Nase, meinen Mund, meine Lider. Haucht mir wieder Leben, Frische ein. Ich küsse zurück. Lecke die Tropfen auf meiner heißen salzigen Haut auf. Köstliches Nass. Ich danke dem Regenmonster. Ich danke ihm so lange, bis es gestorben ist, kein Wasser mehr in sich hat.
Ende
Können Sie sich noch an einen Sommersturm erinnern, den Sie als Abkühlung herbei gesehnt hatten? Erinnern Sie sich an die Farbe des Himmels? Können Sie noch die Wolken beschreiben? Hören Sie den Wind in Ihrem Gehörgang? Riechen Sie die auf die Erde aufschlagenden Wassertröpfchen? Fühlen Sie das Wasser, das er über Sie gießt?
- Clustern Sie über diesen sehnsüchtig von Ihnen erwarteten Sommersturm.
- Beschreiben Sie anschließend anhand Ihrer gefundenen Assoziationen, wie Sie sich bei den ersten Regentropfen fühlten.
Sie können ein Gedicht oder einen Text dazu schreiben.